Les vies inattendues

Thomas Gourdy, Noam Rzewski & Pierre Mercier
23 März > 27 März

Anlässlich des FESTIVAL MIGRATIONS wurden von Thomas Gourdy, Noam Rzewski und Pierre Mercier drei illustrierte Tonkapseln über Migration konzipiert: die des Lebens, des Kosmos der Vertriebenen und Ankommenden, der Schwalben, der Wölfe und der Skifahrer.

Die Tonkapsel werden am

  • Kapsel 1: 23. März
  • Kapsel 2: 25 März
  • Kapsel 3: 27 März auf dieser Seite Online sein.

Nur auf Französisch, ohne Übertitelung.

,,Es gibt körperliche Praktiken und Gesten – der Handwerker schärft die Spitze seines Werkzeugs, der Maler flitzt über Häuserfassaden, der Judoka lässt das Skelett des Gegners in seine Fallrichtung gehen, der Bauer vergräbt ein Samenkorn tief genug, um es vor dem Frost zu schützen, aber sanft genug, damit es die Glocken hört, der Vogel steckt sein Nest zusammen, der Eisberg formt sich geduldig in einer ephemeren Architektur,… – die Ordnung und Unordnung betreiben, Wiederholung, Zeit, Kohärenz inmitten von Umbrüchen und Inkohärenz, im Großen und im Kleinen bringen. Diese Bewegungen, die sich unter den Menschen, Tieren, im Boden, in den Meeren und darüber entfalten, sind Geschenke für unsere Aufmerksamkeit.

Es gibt eine Vielzahl von Umgebungsphänomenen, die wir nicht erfassen, die unsere Sinne nicht von der Gesamtheit der Welt isolieren, weil wir nicht alles betrachten können. Durch Zeugenaussagen und Untersuchungen wird unsere Aufmerksamkeit manchmal dazu angehalten, bei ihnen zu verweilen.

Das Migrations-Festival findet in einem Gebiet der Kohlebergwerke statt, dessen Identität sich kennzeichnet, durch die vielen eingewanderten Arbeiter. Es findet statt in einer Grenzregion zwischen Frankreich, Deutschland und Luxemburg, nicht weit von Belgien entfernt, in einem durchquerten und durchzogenen Gebiet, dessen Untergrund mit Stollen ausgehöhlt ist. Für diese Ausgabe wollten wir zwischen den Datenströmen des Internets die Bewegungen der physischen Welt aufblitzen lassen. Zwei Autoren und eine Autorin werden unterschiedliche solcher Bewegungen von ihren individuellen Beobachtungsposten aus, aber mit der gleichen poetischen Aufmerksamkeit für den Akt des Schreibens, an uns herantragen.

Kapsel 1
Le visible et l’invisible

Montage von Texten aus Manières d’être vivant von Baptiste Morizot, 2020, Éditions Actes Sud

,,(…) Wir brachen eines Morgens im Januar in Richtung eines Passes auf, auf dessen gegenüberliegender Seite, knapp unterhalb des Kammes eine Piste verlief. Wir unterhielten uns fröhlich und als wir den Pass erreichten, waren dort Fußabdrücke. Äußerst frisch, perfekt gezeichnet. Ein Wolf. Als wir die Position des Wolfes einnahmen, stellten wir fest, dass die Stelle, die er untersuchte, genau die Straße war, die wir wenige Minuten zuvor am gegenüberliegenden Hang hinauf zum Bergpass genommen hatten. (…)””

 

Kapsel 2
Quelque chose de l’humain toujours déjà là
Montage von Texten aus Sidérer, considérer – Migrants en France von Marielle Macé, 2017, Éditions Verdier

,,(…) Wir müssen natürlich das Leiden, den Schmerz, die Spannungen überall sehen, da sie überall sind; aber wir müssen auch das Leben hier erkennen, das lebendig ist und gelebt wird. Im selben Moment geht es darum, die Menschen nicht immer von ihrem Leiden aus zu begegnen, sondern auch von ihrem Heldentum, ihren Erfolgen, ihren “übermäßigen Hoffnungen”, ihrer Freude, wenn es welche gibt (…)”


Kapsel 3
Tout bouge, tout se transforme 
Montage von Texten aus de Métamorphoses d’Emanuele Coccia, 2020, Éditions Rivages

,,(…) Ich habe oft davon geträumt. Die Kraft der Raupen zu haben. Zu sehen, wie aus meinem wurmartigen Körper Flügel entstehen. Zu fliegen statt zu krabbeln. Sich auf die Luft zu stützen und nicht auf die Erde. Von einer Existenz in die andere überzugehen, ohne sterben und wiedergeboren werden zu müssen, und dabei die Welt auf den Kopf zu stellen, ohne sie zu berühren. Die gefährlichste Form der Magie. Das Leben, das dem Tod am nächsten ist. Die Metamorphose. (…)””

Bestellung vom Carreau – Scène nationale de Forbach et de l’Est mosellan pour le Festival Migrations.
Zeichnungen: Pierre Mercier.